Karsten Kranzmann

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"Love it, change it or leave it" - sind das alle Optionen?


»Kein Leiden ist schwerer zu ertragen als das, gegen welches man sich wehrt.«

Unter dieser Überschrift finden sich im Buch “Die innere Freiheit” von Jaques Philippe folgende Gedanken: »Wenn wir Schmerz zu erdulden haben, ist es selbstverständlich normal, ihn zu bekämpfen, so weit es möglich ist. Immer wird es aber schmerzhafte Ereignisse geben, für die es kein Heilmittel gibt, und dann ist es richtig, sie im Frieden anzunehmen. Das ist kein Masochismus und keine Verherrlichung des Schmerzes, ganz im Gegenteil: die Zustimmung zu einem Leiden macht es viel erträglicher als eine Auflehnung.

Wenn man um jeden Preis das Leiden ausschalten will, dann verursacht man sich damit manchmal spätere Leiden, die wesentlich schwerer zu ertragen sind. Ich bin sehr betroffen, wenn ich sehe, wie unglücklich man sich im täglichen Leben macht, wegen der hedonistischen Mentalität unserer Gesellschaft, für welche alles Leiden ein Übel ist, das es um jeden Preis auszurotten gilt. Wer sich ständig so verhält, dass er vor jedem Schmerz die Flucht ergreift und nur das entgegennimmt, was angenehm und komfortabel ist und allem anderen aus dem Wege geht, der belädt sich damit früher oder später mit sehr viel schwereren Kreuzen als derjenige zu tragen hat, der sich bemüht, jene Leiden freiwillig auf sich zu nehmen, die aus der Welt zu schaffen er nicht die Möglichkeit hat.« (S. 48/49)

In diesem Sinne gibt es neben dem viel zitierten Dreiklang “change it, love it oder leave it” noch mindestens eine weitere, wichtige Option: “accept it”.

Ich verstehe es so:
Love it: Ich liebe, was ich tue und erlebe Erfüllung darin. Mindestens habe bzw. finde Gefallen an dem, was ist. Dem kann auch das “Change it” der eigenen Gedanken und Einstellungen vorausgehen.
Change it: Ich gehe in Verhandlung im Innen (Haltung, Einstellung) und Außen (Umstände, System). Ich setze mich für konkrete Veränderungen ein.
Leave it: Ich verlasse die Situation auf Augenhöhe, als reflektierte Antwort, nicht als vermeidende Fluchtreaktion.
Accept it: Ich entscheide mich, die Situation weiter und mit Fassung zu (er)tragen - nicht im verschleißenden Widerstand, sondern in Akzeptanz. Es ist wie es ist. Das bedeutet nicht, dass ich es gutheißen muss oder dass es bleiben soll, wie es ist. Auch die Hoffnung auf zukünftige Lösungswege, die jetzt noch nicht erkennbar sind, hat hier ihren Platz.

Ein wichtiger Teil der Lebenskunst besteht darin zu unterscheiden, welche Haltung wann, wie und für wie lange angemessen ist und sie beherzt zu verwirklichen.