Über sich hinauswachsen
Nachfolgendes Zitat von Victor Frankl ist bemerkenswert und herausfordernd. Als Psychologe und Therapeut im KZ inhaftiert, hatte er mit ungleich größeren Herausforderungen und Belastungen zu tun, als die meisten von uns.
In der Verarbeitung dieser Zeit hat er das tiefsinnige Buch "Trotzdem Ja zum Leben sagen" geschrieben. Ein wichtiger Begriff ist die Selbsttranszendenz. Dabei geht es darum, über sich hinauszuwachsen. In seinem Wortlaut:
"Selbsttranszendenz ist der grundlegende anthropologische Tatbestand, dass Menschsein immer über sich selbst hinaus auf etwas verweist, das nicht wieder es selbst ist - auf etwas oder jemanden: auf einen Sinn. Und nur in dem Maße, in dem der Mensch solcherart sich selbst transzendiert, verwirklicht er auch sich selbst: im Dienst an einer Sache. Ganz er selbst wird er, wo er sich selbst übersieht und vergisst."
Das widerspricht nach meinem Verständnis keinesfalls einem gesunden Selbstbewusstsein, denn wer die eigenen Ressourcen kennt und respektiert, kann getrost auch frei von sich selbst anderen und der Sache dienen. Wo wir uns jedoch durch Performance stabilisieren müssen, dienen wir letztlich uns selbst und beuten dabei nicht selten die eigenen Ressourcen maß- und gnadenlos aus.
Gesunde Selbstverwirklichung ist eben nicht ego-zentrische Selbstumkreisung, sondern die Frage, wozu ich in dieser Welt berufen bin und was durch mich geschehen kann und soll.